Fernlinienverbot durch die Hintertür?

Redaktion (allg.)

Michael Griensteidl, freiberuflicher Berater in Sachen Verkehrsprojekte, hat ein Positionspapier zum alternativen Gesetzesentwurf der rot-grün regierten Bundesländer zur Fernbus-Liberalisierung erstellt.

Wir drucken Kernpunkte des Papiers ab. Grundsätzlich ist es sehr erfreulich, dass die Bundesländer zu einer wettbewerblichen Freigabe des Fernbusverkehrs in Deutschland stehen“, betont Michael Griensteidl. Der alternative Gesetzesentwurf von rot-grün regierten Bundesländern lasse bei ihm jedoch „den Eindruck entstehen, dass der Busfernverkehr durch künstliche Verteuerung und Bürokratisierung verhindert werden soll“. Er kritisiert vor allem die in diesem Entwurf vorgesehenen Vorschriften über deutschlandweite Auskunfts- und Vertriebsverpflichtungen, die für den Mittelstand nicht umsetzbar seien, sowie ein Mautsystem, das den Bus mit dem Schwerlastverkehr gleichstelle. „Der Vorschlag ignoriert das Mobilitätsbedürfnis der sozial schwächeren Bevölkerung, denen der Fernbus kostengünstige Mobilität ermöglichen würde“, betont Griensteidl weiter und fügt hinzu: „Besonders verwundert, dass Fernbusse gerade von den Ländern verhindert werden sollen, die sich eigentlich eine soziale und ökologische Politik auf die Fahne geschrieben haben.

Der Fernbus ist sozial und ökologisch. Warum wird er so verteufelt?“ Michael Griensteidl appelliert an die Politik, eine realitätsnahe, unreglementierte und durchführbare Marktöffnung auf den Weg zu bringen, wie sie von der Politik versprochen wurde. Und zwar ohne dem Mittelstand unzählige Klötze zwischen die Beine zu werfen, die am Ende dazu führen würden, dass entweder gar keine nennenswerten Fernbusangebote entstehen, oder sich nur einzelne Großunternehmen den Markt zu Lasten der Fahrgäste aufteilen. In einem Positionspapier zur Liberalisierung des Fernbusverkehrs hat er die Standpunkte und Forderungen von mittelständischen Betreibern formuliert, deren Kernpunkte busplaner hier zusammenfasst. In Diskussionen, vor allem mit Vertretern der Politik, können sie als gute Argumentationshilfe dienen. Die im Alternativvorschlag der Bundesländer vorgesehene Auflage, dass Fernbusunternehmen Informationen über Angebote aller Wettbewerber erteilen müssen, ist in einem marktwirtschaftlichen System nicht begründbar.

Die Verpflichtung, darüber hinaus auch Fahrausweise für Wettbewerber zu vertreiben und anbieterübergreifende Tickets auszustellen, würde aufgrund uneindeutiger Verantwortung im Alltag zu zahlreichen Problemsituationen führen, die „auf dem Rücken des Kunden“ ausgetragen werden. Der Zwang der vertrieblichen Zusammenarbeit verschiedener Anbieter wäre vergleichbar mit einer Auflage, dass Air Berlin auch Tickets von Lufthansa und Ryanair vertreiben müsste, oder wenn Hilton Hotels auf Ihrer Homepage auch Zimmer von Ibis und Motel One anbieten müssten.

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Die Reisebranche zeigt, dass am Markt ohne Zwang sinnvolle und effiziente Lösungen entstehen, um unternehmensübergreifende Angebotstransparenz herzustellen: von klassischen Reisebüros, die über zentrale Systeme Angebote verschiedener Airlines, Hotelketten und Reiseveranstaltern vergleichen, bis hin zu Angebots- und Preisvergleichs-Portalen im Internet wie z.B. expedia, opodo, flugpreisvergleich, booking.com, hrs.de etc. Der Vergleich mit einer Auskunftspflicht der Deutschen Bahn hinkt, weil die Deutsche Bahn nicht in ihrer Rolle als Verkehrsunternehmen, sondern in ihrer Rolle als monopolistischer Herausgeber des einzigen nationalen Auskunftsmedium für Schienenverkehrsverbindungen verpflichtet wurde, dort auch Konkurrenzangebote zu listen. Kleine Anbieter im Schienenpersonenverkehr, die ein eigenes Auskunftssystem betreiben sind keinesfalls verpflichtet, alle Verbindungen der Deutschen Bahn zu listen. Die Deutsche Bahn arbeitet seit vielen Jahren am Aufbau eines unternehmens- und verkehrsverbundübergreifenden Ticket-Vertriebs. Das Projekt hat bereits viele Millionen Euro gekostet, ist aber immer noch fern von einer zeitnahen Implementierung. Ähnliche „System-Monster“ für den Fernbusverkehr verpflichtend einzuführen wäre absurd, und kann aus finanziellen und zeitlichen Gründen ein Aus für das Engagement möglicher Fernbusanbieter in Deutschland bedeuten. Fernbusbieter, die sich in ihren Angeboten ergänzen, werden sich auch ohne gesetzlichen Zwang zu Kooperationen zusammenschließen und aus eigenem Interesse gemeinsame Angebote vertreiben, so wie es beispielsweise Luftfahrt-Allianzen machen. Kernunterschied einer freiwilligen Zusammenarbeit gegenüber einer gesetzlichen Verpflichtung ist, dass im Rahmen der Kooperation Qualitätsstandards vereinbart, Beförderungsbedingungen harmonisiert und eindeutige Ansprechpartner für den Kunden definiert werden und alle Kooperationspartner ein Interesse an einer gemeinsamen Kundenbindung haben.

Die gesetzliche Verpflichtung zur vertrieblichen Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen, die teilweise oder vollständig im Wettbewerb zueinander stehen, würde in der Praxis zu großen Problemen führen: Durch den Einsatz unterschiedlicher Buchungs- und Inventarsysteme kann es zu Überbuchungen von Bussen kommen. Aufgrund der Sitzplatzpflicht im Fernbus wird dies dazu führen, dass gebuchte Kunden zum Teil von der Mitfahrt ausgeschlossen werden müssen. Ferner hat ein Unternehmen bei loser Zusammenarbeit kaum Gelegenheit, Einfluss auf die Leistung und Qualität eines anderen Anbieters zu nehmen. Zudem ist unklar, wer sich an den Schnittstellen für den Kunden verantwortlich zeigt und sich um ihn kümmert, wenn z.B. ein Anschluss verloren geht oder eine Leistung aus anderen Gründen nicht wie versprochen erbracht wird. Es besteht die Gefahr, dass ein Unternehmen auf das jeweils andere Unternehmen verweist, und am Ende der Kunde in Problemsituationen ohne Unterstützung der Busunternehmen auf sich selbst gestellt ist. Trassenentgelte für die Nutzung der Schieneninfrastruktur sind kein faires Argument für die Einführung einer Busmaut. Systemunterschiede werden ebenso ausgeblendet wie die Tatsache, dass die Schiene indirekt ebenfalls aus Steuermitteln finanziert wird. Die Einführung einer Autobahnmaut für Reisebusse ohne gleichzeitige Einführung einer Pkw-Maut wird die Entwicklung des Fernbusmarktes stark negativ beeinträchtigen und bestraft das umweltfreundlichste Verkehrsmittel Bus.

Das Trassenpreissystem der Deutschen Bahn quersubventioniert den Fernverkehr, der durch seine hohen Geschwindigkeiten sehr viel mehr Trassenkapazität benötigt als alle anderen Verkehre, durch überproportional hohe Trassenentgelte für den Nahverkehr, welcher mit sieben Milliarden Euro pro Jahr aus Steuergeldern subventioniert wird. Zudem erhält die Deutsche Bahn jährlich hohe staatliche Investitionszuschüsse für ihre Netz-Infrastruktur, die nicht an den Staat zurückgezahlt werden. Der Fernbusverkehr wird dagegen ohne jegliche Subventionierung auskommen müssen und wird eigenwirtschaftlich und ohne Kosten für die Allgemeinheit betrieben werden.

Durch eine Mauteinführung steigen die Produktionskosten im System Fernreisebus signifikant an. Eine Weitergabe der Mautkosten an den Fernbuskunden wird in aller Regel nicht möglich sein, da die Fernbus-Fahrpreise unterhalb der Bahn- Fahrpreise und Pkw-Kosten liegen müssen, um bei preissensiblen und einkommensschwachen Zielgruppen Akzeptanz zu finden. Die Maut gefährdet insofern die Kostendeckung der Fernbusanbieter. Verbunden mit den hohen Anfangsinvestitionen und den hohen Anlaufkosten neuer Linien wird die Busmaut die Entwicklung des Fernbusmarktes massiv behindern. Durch die Einführung einer Maut nur für den Fernbus, aber nicht für den privaten Pkw, wird das umweltfreundlichste Verkehrsmittel Bus belastet, und das umweltschädlichste Verkehrsmittel Pkw, das dieselbe Infrastruktur nutzt, gefördert.

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