Fernbusse: Nischenmarkt mit Zukunft

Redaktion (allg.)

Einfach. Praktisch. Gut. Publicexpress schreibt mit einer Busfernlinie schwarze Zahlen – ohne einen einzigen Euro vom Staat zu erhalten. Jetzt wurde sie als „Innovation des Jahres“ ausgezeichnet.

 

Wir erhalten keinen Euro Subvention von der öffentlichen Hand und leben ausschließlich von den Fahrgasteinnahmen“, freut sich Christoph Marquardt, Inhaber von Publicexpress, bei der Preisverleihung am 23. Juni. Schon alleine diese Tatsache hätte einen eigenen Innovationspreis verdient. Doch der findige Unternehmer – im „ersten Leben“ im Rhein- Main-Verbund und bei Weser-Ems-Bus beschäftigt – hat den busplaner-Preis „Innovation des Jahres 2009“ in der Kategorie ÖPV für seinen unternehmerischen Wagemut erhalten. Immerhin hat es der gebürtige Oldenburger geschafft, eine Fernbuslinie zu etablieren, an die sich bis dato kein anderes Unternehmen – schon gar kein kommunales – herantraute. Aber der Reihe nach: Gestartet hat Publicexpress die Fernbuslinie im Oktober 2004 mit einer Verbindung zwischen Groningen und Oldenburg. Bereits nach zwei Jahren wurde sie aufgrund der starken Nachfrage bis in die Hansestadt Bremen verlängert.

Dort hat das private Verkehrsunternehmen Haltestellen am Zentralen Omnibusbahnhof beim Übersee-Museum unweit des Hauptbahnhofs sowie am Flughafen Bremen eingerichtet. Positiv entwickelt hat sich die rund 200 Kilometer lange Schnellbuslinie von Holland in die Hansestadt, an der nur sieben Haltestellen eingerichtet wurden, vor allem wegen der vergleichsweise kurzen Fahrzeit:

Die Fahrt im Bus beträgt gerade einmal zwei Stunden und 45 Minuten! Die Deutsche Bahn kann diese Reisezeit nicht unterbieten. Im Gegenteil: „Unsere Linie ist die einzige durchgehende Verbindung zwischen der holländischen Universitätsstadt Groningen und der alten Hansestadt Bremen“, berichtet Marquardt bei der Preisverleihung. Auch die Klientel auf der Fernlinie kann sich sehen lassen. „Unsere Kunden sind sowohl Studenten und Kurzreisende als auch Senioren und Kulturtouristen“, so Marquardt. Tatsächlich wurde die ursprünglich nur zwischen Groningen und Oldenburg verkehrende Busfernlinie bemerkenswert rasch ein Erfolg. Publicexpress erklärt sich dies u.a. mit einem ausgeklügelten Gutschein- System und mannigfaltigen Tourismus-Kooperationen. So erhalten Busgäste in Groningen einen Euro Ermäßigung auf Ausflugs- und Grachtenfahrten sowie auf das Gruppenmenü „Piratenbankett“. Weitere Kooperationen hat Publicexpress mit dem Groninger Kunstmuseum geschlossen: Gegen Vorlage eines während der Reise verteilten Gutscheines erhalten jeweils zwei Busgäste 25 Prozent Ermäßigung auf den Eintritt in alle Kunstausstellungen.

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Dank der intensiven Marketing- und Vertriebsanstrengungen gelang es Publicexpress sogar, gänzlich neue Reise-Gewohnheiten herauszubilden. Denn rund 20 Prozent der Gäste des Fernlinien-Busses sind vorher überhaupt nicht zwischen Groningen und Bremen hin- und hergereist. Vor allem – und vielleicht noch wichtiger: Publicexpress ist es gelungen, Umsteiger vom motorisierten Individualverkehr zu gewinnen (sogar 41 Prozent der Gäste!). Ebenfalls interessant: Rund 25 Prozent aller Gäste der Fernlinie wollen gar nicht nach Bremen bzw. Groningen, sondern ganz woanders hin reisen: Viele fahren von Groningen aus weiter mit der Bahn nach Amsterdam, andere wiederum haben einen Billigflug mit Ryan Air ab Bremen gebucht. Und der Clou: Publicexpress bietet auch Kunden, die in kleinen Gruppen verreisen wollen, attraktive Angebote. So erhalten Gruppen ab zehn Personen einen saftigen Preisnachlass, wenn sie ihre Fahrt gemeinsam mindestens einen Tag vorher reserviert haben! Mit dieser immer noch ungewöhnlichen Idee schafft es das private Verkehrsunternehmen, auch Menschen, die mit ihren Freunden auf Fahrt gehen wollen, auf nachahmenswerte Weise anzusprechen. Last but not least: Auch die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen sprechen für sich.

Schon im Geschäftsjahr 2007 hat Publicexpress den so genannten „Return on Invest“- Punkt erreicht. Inzwischen benutzen Jahr für Jahr 70.000 Fahrgäste die Fernlinie zwischen Groningen und Bremen. Eine derart hohe Zahl von Fahrgästen – bei immerhin nur vier Touren pro Tag – lässt sich natürlich nicht mehr per Hand abwickeln. Daher hat Publicexpress vor drei Jahren ein elektronisches Buchungssystem errichtet. „Außerdem arbeiten wir mit rund 150 Vorverkaufsstellen in der ganzen Großregion zusammen“, berichtet Marquardt, „selbst die Tourismusämter und die Bremer Straßenbahnen verkaufen unsere Tickets. Was die Busflotte betrifft, so hat sich Publicexpress dafür entschieden, mit privaten Busbetrieben zusammenzuarbeiten. Auf die Qualität des rollenden Materials achtet Christoph Marquardt nach eigener Aussage sehr.

Seine Kooperationspartner setzten zunächst auf die Marke Neoplan, inzwischen arbeiten diese ausschließlich mit Fahrzeugen von VDL Bova. Angespornt vom großen Erfolg auf der Linie Groningen-Bremen und unterstützt von einer Fahrgastbefragung hat das mittelständische Verkehrsunternehmen am 25. April eine zweite Schnellbusverbindung gestartet: Sie verbindet Bremen mit den ostfriesischen Städten Hesel und Aurich (Eine Bahnverbindung gibt es hier nicht.). Auch auf dieser, rund 125 Kilometer langen Linie bewirbt das Oldenburger Unternehmen ganz gezielt das touristische Angebot der Hansestadt Bremen. „Es ist unser Ziel, auf der Ostfriesland- Linie mittelfristig 60.000 bis 70.000 Fahrgäste pro Jahr zu befördern“, sagt Marquardt dem busplaner. Die sechs Fahrten täglich dauern eindreiviertel Stunden. Auch hier ist die Fernlinie als Schnellbus-System konzipiert:

Der Bus startet in Aurich und fährt über Hesel und dem Bremer Flughafen direkt in die Bremer City, also zum ZOB an Übersee-Museum und Hauptbahnhof. „Auch hier ist die schnelle Direktverbindung mit nur ganz wenigen Halten der Schlüssel zum Erfolg!“, betont Marquardt. Und der Unternehmer arbeitet schon an den nächsten Innovationen: So plant der Oldenburger, ab Herbst ein Fernsehprogramm für seine Fahrgäste zu starten. „Unser Bus- Fernsehen wird unsere Kunden über betriebliche und touristische Belange rund um die Busfernlinie informieren“, erklärt Marquardt nach der Auszeichnung seiner Fernlinie als „Innovation des Jahres 2009“. Sogar in Sachen TV will Publicexpress neue Maßstäbe setzen. „Unser inoffizielles Erfolgsmotto lautet: Einfach. Praktisch. Gut.“

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