Deutsche Einwanderung in Australien

Sonderausstellung im Deutschen Auswandererhaus zeigt über 225 Jahre deutsche Einwanderung
Askin Bulut

Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven zeigt ab dem 30. September 2013 bis 2. März 2014 die neue Sonderausstellung „Deutsche in Australien.“ Das Erlebnismuseum skizziert 225 Jahre deutsche Einwanderung in Australien, von 1788 bis heute.

„Es war ein lang gehegter Wunsch vieler unserer Besucher, dass wir den Deutschen in Australien eine eigene Ausstellung widmen“, sagte Museumsdirektorin Simone Eick. Sei es am Anfang noch besonders spannend gewesen, Vergleiche zwischen der deutschen Einwanderung in die USA und derjenigen nach Australien zu ziehen, habe die Erforschung der deutsch-australischen Geschichte bald eine ganz eigene Dynamik entwickelt. „Am Ende gelangten wir auch zu der Erkenntnis, dass vieles, wofür früher in der Bundesrepublik ausschließlich die USA standen, jetzt mehr und mehr mit Australien verbunden wird. Vor allem die Erfüllung der Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit“, erklärte die Migrationsforscherin.

Impressionen vom Leben am anderen Ende der Welt zeigt, parallel zur Ausstellung, der eigens vom Deutschen Auswandererhaus produzierte Dokumentarfilm „Down Under. Eine Reise zu Deutsch-Australiern“. Für die Dreharbeiten war im Juli 2013 ein dreiköpfiges Filmteam zwölf Tage in Australien unterwegs, um Interviews mit deutschen Auswanderern oder deren Nachfahren zu führen. Der Film ist ab dem Beginn der Sonderausstellung neben den Dokumentationen über Deutsch-Amerikaner und Deutsch-Argentinier dauerhaft im museumseigenen Kino zu sehen.

Mehr als 900.000 der über 22 Millionen Australier gaben im Jahr 2011 an, deutsche Wurzeln zu besitzen. Ihre Geschichten zeigt das Deutsche Auswandererhaus als erstes Museum in Deutschland exemplarisch in der reich mit Objekten, Fotografien und Dokumenten ausgestatteten Ausstellung. Sie beginnt mit der ersten europäischen Siedlung auf dem Fünften Kontinent: Die Sträflingskolonie wurde 1788 von dem deutsch-britischen Gouverneur Arthur Phillip am Ufer des heutigen Sydney Harbour gegründet. Über seine Erlebnisse verfasste er einen Bericht, der 1792 auf Deutsch erschien. Die deutsche Erstausgabe steht im Einführungsraum der Ausstellung neben einem Holzschild der Aborigines, das ein Stamm dieser ersten Bewohner Australiens vermutlich zur Jagd verwendete. Die Aborigines leiden bis heute unter der gewaltsamen Eroberung und den christlichen Missionierungsversuchen, an denen auch die deutschen Lutheraner im 19. Jahrhundert maßgeblich beteiligt waren.

Das Schild und alle weiteren Artefakte der Aborigines, die in der Ausstellung gezeigt werden, sind Leihgaben des Grassi Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Gesammelt wurden sie zwischen 1863 und 1873 von der deutschen Forscherin Amalie Dietrich in Australien. Neben Pflanzen, Tieren und Kultgegenständen sammelte Dietrich allerdings auch menschliche Skelette. Bis heute besteht der Vorwurf gegen sie, dass sie dafür Aborigines tötete. Einen Beweis gibt es jedoch nicht.

Mit dem deutschen Arzt Robert Koch – ein Namensvetter des berühmten Tropenmediziners und Nobelpreisträgers – zeigt die Ausstellung einen weiteren deutschen Wissenschaftler, dessen rassistische Äußerungen die geistige Haltung widerspiegeln, die zu Ausrottung und Verelendung der Aborigines führten.

Anders als in Südamerika, wo das Gold der Inka und Maya sogleich Begehrlichkeiten auslöste, entdeckten die Europäer die Bodenschätze Australiens erst einige Jahrzehnte nach ihrer Ankunft. Der Goldfund 1823 in der Kolonie New South Wales war allerdings zunächst geheim gehalten worden, weil man Aufstände unter den Sträflingen fürchtete. Beim nächsten Fund 1851 jedoch sah man diese Gefahr gebannt und Tausende junger europäischer Männer zogen nach Australien. Auch von ihren Träumen vom schnellen Reichtum erzählt die Ausstellung: Ob etwa der Hamburger Daniel Hoffheiser seinen so ersehnten „Klumpen“ Gold fand, verraten seine ausgestellten Briefe.

Rund hundert Jahre, nachdem die Goldgräber in Australien ihr Glück suchten, erreichte die deutsche Einwanderung ihren Höhepunkt. Unter den mehr als 80.000 Handwerkern und Facharbeitern, die im Rahmen des Anwerbeabkommens nach Australien gingen, war auch Manfred Neumann aus der Nähe von Flensburg. 1960 schiffte er sich in Bremerhaven ein und reiste zum anderen Ende der Welt. Nach diversen Jobs konnte der Zimmermann endlich seinen erlernten Beruf ausüben: Als Queen Elizabeth II. im Jahr 1963 Australien besuchte, erhielt er den Auftrag, eine Treppe zu bauen, um ihr das problemlose Ein- und Aussteigen aus einem Jeep zu ermöglichen. „Einige Australier waren schockiert, dass ausgerechnet ein Deutscher damit beauftragt wurde – sie unterstellten ihm Sabotageabsichten“, erzählt Tanja Fittkau, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Auswandererhaus die Ausstellung mit kuratierte. „Aber die Treppe für die Queen hielt.“ In der Folgezeit arbeitete Manfred Neumann auf einer Mission in Westaustralien, hatte 1971 jedoch genug vom unsteten Leben und kehrte zurück nach Deutschland.

Im Gegensatz zu ihm wurden die meisten Deutschen, die zum Arbeiten nach „Down Under“ gezogen waren, sesshaft. Sie empfinden den Fünften Kontinent heutzutage als ihre Heimat und fühlen sich als Australier.