Studie zur leitungsfreien Elektromobilität für Linienbusse

Viseon und Bombardier erproben neue Technologien
Askin Bulut

Der Omnibushersteller Viseon Bus und Bombardier Transportation erproben in einem gemeinsamen Projekt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung neue Technologien zur fahrdrahtlosen Energieversorgung elektrisch angetriebener Omnibusse.

Unter dem Projektnamen „Primove“ hat Bombardier Transportation bereits ein kontaktloses Stromversorgungssystem für Straßenbahnen entwickelt und in der Erprobung. Nun soll diese neuartige Technologie auch im Linienbus Anwendung finden.

Als Projektpartner bringt Viseon als Hersteller von Oberleitungsbussen seine langjährige Kompetenz in der Entwicklung und Produktion von elektrisch angetriebenen Bussen in das Projekt ein. „Mit dem elektrischen Antrieb mittels Oberleitungen setzen wir bereits seit vielen Jahren den lokal emissionsfreien Betrieb von Stadtlinienbussen konsequent um“, erklärte Viseon Technikchef Ernö Bartha. „Mit der neuen, kontaktlosen Technologie und weiterentwickelten Energiespeichern können wir künftig die Städte von Oberleitungen befreien und Flexibilität des elektrischen Linienbussystems deutlich erhöhen.“

Auf der IAA in Hannover können Besucher den ersten Primove-Linienbus sehen, der mit einem von Viseon speziell für den Einsatz in Omnibussen entwickelten kontaktlosen Stromabnehmer am Unterboden ausgerüstet ist.

Primove ist ein elektrisches Antriebs- und Ladesystem, das auf dem Prinzip der induktiven Energieübertragung beruht. Dieses System findet bisher bereits in der Industrie, etwa bei werksinternen Transportsystemen, oder im Haushalt, etwa bei elektrischen Zahnbürsten, Verwendung. Bei der induktiven Stromübertragung generiert ein elektrischer Leiter ein Magnetfeld, das in einem anderen Leiter innerhalb des Feldes elektrischen Strom erzeugt.

Beim Primove-System sind unter der Straße, beispielsweise an Haltestellen oder an Steigungen, Induktionsschleifen verlegt, die hochfrequenten Wechselstrom führen und so ein Magnetfeld erzeugen können. Ein Sensor erkennt, ob das Fahrzeug direkt über der Schleife positioniert ist. Erst dann schaltet das System den Ladevorgang ein. Dabei induziert das Magnetfeld eine Spannung im fahrzeugseitigen Stromempfänger. Diese Spannung nutzt das System, um den bordseitigen Batteriespeicher zu laden oder den elektrischen Antrieb mit Strom zu versorgen. Bei der dynamischen Stromversorgung während der Fahrt besteht die Induktionsschleife in der Straße aus vielen einzelnen Segmenten. Das System aktiviert immer nur das Segment, über dem sich das Fahrzeug gerade befindet. Andere Verkehrsteilnehmer können somit nicht in den Bereich des Magnetfelds gelangen.

Während die straßenseiteigen Komponenten des Systems bereits in einem früheren Straßenbahnprojekt ihre Feuertaufe bestanden haben, stellte die bordseitige Technik – hier vor allem die Stromaufnahme – die Projektpartner vor große Herausforderungen. Denn anders als Straßenbahnen rollen Omnibusse auf Gummireifen und verfügen über eine weiche Luftfederung. Dies erhöht zwar den Komfort der Fahrgäste, doch es bewirkt auch, dass sich der Abstand zwischen Fahrzeugboden – und damit dem Stromaufnehmer – und der Induktionsschleife in der Straße ständig undefiniert verändert.

Viseon hat daher einen speziellen Hebe- und Senkmechanismus zum Ausfahren des Pick-ups entwickelt. Dieser befindet sich am Unterboden des Busses und fährt bei Bedarf nach unten aus, um in die Reichweite des Magnetfelds zu kommen. Bei statischen Ladungen, etwa an Haltestellen, wird der Stromaufnehmer-Pick-up zur Erreichung höchster Übertragungsraten auf dem Boden abgelegt. Rollen am Pick-up halten den Stromaufnehmer auf ausreichend Abstand und verhindern, dass dieser beim Absetzen beschädigt wird. Der neue, zum Patent angemeldete Hebe-und Senk-Mechanismus ist so ausgelegt, dass er dem Stromaufnehmer auch die Stromaufnahme während der Fahrt ermöglicht. Beim statischen Laden fährt das Fahrzeug einen Ladepunkt an, zum Beispiel an der Haltestelle. Das System startet selbsttätig den Ladevorgang, der wegen des hohen Leistungsniveaus sehr rasch erfolgt. Der Fahrer muss nicht eingreifen. Auch besteht keinerlei Gefahr, mit Elektrizität in Verbindung zu kommen.

Hier liege ein weiterer Vorteil von Primove, wie Viseon Projektleiter Christian Vana erläutert: „Bei einem Oberleitungsbus verlaufen die elektrischen Leitungen vom zweipoligen Netz über Stromabnehmer und Umrichtern am Dach an den Wänden des Fahrgastraums entlang zum Antrieb im Heck. Da hier zwischen 600 und 700 Volt Spannung anliegen, die direkt mit dem Netz in Verbindung stehen, erfordert dies eine besonders aufwändige Isolierung in drei Ebenen. Im Primove-Bus sind alle Komponenten bereits durch das induktive Prinzip der Stromaufnahme galvanisch vom Netz getrennt. Damit ist im Bus bereits systembedingt ein hoher Sicherheitsstandard erreicht, und nur noch eine einfache Isolation wie in jedem anderen autonom agierenden Elektrofahrzeug, wie etwa einem Batteriebus erforderlich.“

Auf einer Teststrecke wollen Bombardier und Viseon zunächst bis 2013 Erfahrungen sammeln und weitere Entwicklungsschritte erproben.